Nach dem Abitur waren meine einzig mir noch verbliebene Verbindung zum Himmel die Musik und die Liebe zu den Kindern, aus deren Augen noch das Wissen leuchtete und meine Gespräche mit Gott.
So entschied ich Lehramt Grundschule mit Schwerpunkt Musik zu studieren. Doch etwas stimmte
nicht mit meiner Wahl und das machte mich traurig. Meine musikalische Begabung, die Erwartungen meiner Eltern und meiner Umwelt hatten dazu geführt, mich in eine bestimmte Richtung drängen zu lassen. Ich hatte meinen Weg verloren und wagte nicht, mir dies einzugestehen und nach ihm zu forschen.
Drei Monate vor Studienbeginn mietete ich im Sommer am Studienort ein Zimmer an, um mich in
Ruhe auf meine Aufnahmeprüfung für Musik mit Klavier und Gesang vorzubereiten. Ich
verbrachte etwa sechs Wochen völlig zurückgezogen, ging morgens in der gegenüberliegenden
Kirche in die Frühmesse – ich liebte die mystische Atmosphäre morgens in fast menschenleeren
Kirchen schon als Kind – verbrachte den Vormittag und den Nachmitttag mit Klavierüben und die
Mittagsstunden im nahegelegenen Dompark mit Lektüre und Handarbeit, oft in die stille
Betrachtung der Goldfische und Wasserschildkröten in den großen Wasserbassins versunken, von
dem beruhigenden Geplätscher der Springbrunnen und dem Gemurmel alter Menschen auf den
Besucherbänken umhüllt, bis eines Tages passierte, was mein ganzes Leben verändern sollte:
(Auf dem Heimweg vom Park direkt am Dom hörte ich in mir eine Stimme, die sagte: „Johannes
steht vor deiner Tür und läutet.“ In diesem Moment empfand ich eine eigenartige Dichte und
Dramatik, blickte wie ferngesteuert nach oben auf die Domuhr, es war fünf nach zwei, wurde wieder
„klar“ und sagte mir in meiner damaligen praktischen Art: „So fängt es an, wenn man zu spinnen
beginnt“ und beschloss, dieses Erlebnis unter „Kuriositäten meines Lebens“ abzulegen. Ich hatte
Johannes, meinen ersten Freund schon Monate nicht mehr gesehen, hatte selbiges auch zukünftig
nicht vor und außerdem war er mir so aus dem Sinn, dass mir das eben Erlebte absolut absurd
vorkam. – Als ich zehn Minuten später in den Vorhof meines Wohnhauses trat, sah ich von weitem
einen an der Haustür befestigten Zettel, worauf mir schon etwas „anders“ wurde und eine wage
Angst sich in mir ausbreitete. Ich zwang mich, eine mögliche Bestätigung des Erlebten erst einmal
gar nicht für möglich zu halten, bevor ich nicht sah, wer welche Botschaft hier hinterlassen hatte.
Das für mich Unfassbare stand dennoch schwarz auf weiß auf diesem schicksalsträchtigen Papier:
„Liebe Gabriele, ich bin gerade in Augsburg und wollte dich kurz nach zwei spontan besuchen. Du
warst leider nicht da, ich melde mich wieder, Dein Johannes.“)
Unter Schock stehend hielt ich mit zitternder Hand das Stück Papier und befürchtete, auf der Stelle
den Verstand zu verlieren, sollte ich nicht sofort eine wissenschaftliche Erklärung für dieses
Phänomen finden. Ich hielt diesen Vorfall für ein telepathisches Erlebnis, das es aber es aus
wissenschaftlicher Sicht nicht zu geben hatte und folgerte: Gedanken, was sind Gedanken? Radio –
Physik – Wellen – wenn ein Mensch denkt, werden Energien frei, ein anderes Gehirn kann diese wie ein Radioapparat aufnehmen, dekodieren und ... All das lief in einem Bruchteil von Sekunden ab, ich musste verstehen! Mein die letzten Jahre aufgebautes nüchternes Weltbild brach zusammen, eine Lawine des Schreckens schien all meine Vorstellungen, Glaubenssätze, Prägungen über Realität wie Dominosteine im Zeitraffer hinwegzufegen, ich hatte nichts mehr, woran ich mich festhalten konnte. So gab es sie doch, die Telepathie. Ich begriff erst viele Jahre später, dass dies gar kein telepathisches Erlebnis war, sondern „etwas“ anderes zu mir gesprochen hatte.
Meine Nerven beruhigten sich langsam und die nächsten Tage zeigten, dass meine Medialität durch diesen gewaltigen Schock schlagartig wieder aufgebrochen war.
Der mir in dieser Kultur anerzogene Widerstand meines Verstandes war gebrochen und plötzlich
konnte ich mich wieder an die Hellsichtigkeit meiner Kindheit erinnern, welch tiefes spirituelles
Wissen ich mitgebracht hatte und Demut erfüllte mich im Erahnen der Tiefe der Schöpfung ... Ich
wurde wieder mehr und mehr zu meinem wahren Ich, zu meinem wirklichen Selbst.
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